Ich habe in Münster meine Heimat gefunden – 5 Fragen an Martje Salje; Türmerin in Münster
Ein Highlight während meiner Auszeit und Stadterkundung in Münster war ein Treffen mit der Türmerin „Martje“ und natürlich auch die Möglichkeit, vom Turm der Lambertikirche auf die nächtliche Stadt zu werfen. Wir trafen uns um 20.30 Uhr am Fuß der Lambertikirche und dann ging es schlappe 300 Stufen hinauf in den Turm. Zwischendurch machten wir immer mal wieder halt, damit Martje mir ein wenig zur Geschichte der Kirche und natürlich auch zur Geschichte Münsters erzählen konnte. Insgesamt verbrachte ich interessante, informative und vor allen Dingen ganz private 1,5 Stunden bei Tee und guten Gesprächen mit Martje auf „ihrem“ Turm.
Lambertikirche
Auf dem Weg nach oben – mit Türmerin Martje
Auf dem Weg nach oben, kommen wir an den Wiedertäuferkörben vorbei (die sind auch von unten gut sichtbar). Was hat es mit den Körben eigentlich auf sich?
Die drei Körbe, die am Turm der Lambertikirche hängen, waren für die 3 Anführer der Wiedertäufer gedacht. Die Wiedertäufer waren eine gefährliche Sekte. Angefertigt wurden die Körbe 1535 – am Turm der Lambertikirche hängen auch wirklich immer noch die original Körbe. Was dann aber kam, war dann doch etwas sehr blutrünstig, denn die Verurteilten Wiedertäufer-Anführer wurden hingrichtet. Ihnen wurde wohl das Fleisch bei lebendigem Leibe von den Knochen gezogen. Die Vollstreckung erfolgte im Januar 1536. Die toten Körper wurden dann in den Körben, am Kirchturm, zur Schau gestellt. Der Legende nach, wurden die Körper dann einfach der Witterung überlassen. Noch 1585 sollen Knochen in den Körben gelegen haben. Schon ein wenig gruselig diese Geschichte.
1881 hat man die Körbe dann übrigens einmal vom Turm genommen, um den Turm zu reparieren. Denn der Turm war etwas baufällig geworden. Bei einem Bombenangriff 1944 wurde dann ein Korb beschädigt, denn er stürzte sogar in die Tiefe. Bei dem Angriff bekam auch die Lambertikirche etwas ab. 1948 wurden die Körbe dann wieder aufgehängt, nach den Reparaturarbeiten an der Kirche.
Die Wiedertäufer-Körbe
Türmer stellt man sich ja irgendwie anders vor. Seit wann bist du Türmerin der Lambertikirche und wie wird man so etwas eigentlich?
So ein Job wird tatsächlich ausgeschrieben. Darauf hab ich mich einfach beworben, wurde eingeladen und dann war ich plötzlich Türmerin in Münster. Ich komme eigentlich aus Niedersachsen. Bevor es nach Münster ging, hab ich in Odenburg gelebt. Für mich ist Oldenburg ja sogar etwas mit Münster vergleichbar. Daher hab ich mich wohl auch gleich sehr wohl in Münster gefühlt. Ich hab vorher als Lehrerin, Historikerin und Musikerin gearbeitet. Ich bin jetzt Türmerin seit 2014. Ich liebe den Job. Eigentlich hab ich einen Tag in der Woche frei. Doch ich hab mich schon dabei erwischt, dass ich dann trotzdem nachs plötzlich vor Turm und Kirche stand.
Als Türmerin bin ich bei der Stadt Münster angestellt, nicht bei der Kirche. Daher ist es auch eigentlich egal, welcher Konfession der Türmer angehört. Ich „muß“ auch tatsächlich Urlaub nehmen. In der Zeit werde ich dann vertreten von einem Kollegen.
Martje bläst ins Turmhorn
Meistens bist du ja ganz alleine hier oben auf dem Turm. Ist das nicht ab und zu langweilig? Was machst du, um dir die Zeit zu vertreiben?
Ehrlich gesagt, hab ich mich bisher noch nicht gelangweilt. Ich genieße es hier oben. Um 20.30 Uhr geht täglich rauf auf den Turm. Oben angekommen, muß ich einmal die Feuerwehr anrufen und Bescheid geben, dass ich „gesund“ oben angekommen bin. Bleibt der Anruf aus, so würden die jemanden schicken, der nach dem Rechten sieht.
Alle halbe Stunde, ab 21 Uhr, blase ich dann (immer nur einen Ton) in das Horn und zwar auf jeder Turmseite. Ich gebe dann z.B. auch Lichtzeichen. Der kleine Rundgang dauert immer rund 5 Minuten. Dann gehts zurück in die Türmerstube oder ich verweile noch ein wenig auf dem schmalen Turmrundgang. Die freie Zeit zwischen den Signaltönen nutze ich zum Lesen oder zum Musik machen. Ich spiele neben dem Turmhorn nämlich auch Klavier, E-Bass, Gitarre, Flöte, Kontrabass, Mandoline und Laute. Und oben drauf gibt es auch meinen Türmer-Blog und eine Türmer-Facebook-Fanpage. Da ist immer was zu tun. Langweilig wurde mir bisher wirklich noch nicht. (Martje lacht)
Martje auf ihrem Turm
Welche Aufgaben hat denn eine Türmerin in Münster?
Natürlich erst einmal pünktlich, 6 Tage die Woche, von 9 21 Uhr bis Mitternacht das Turmhorn zu blasen. Und auch wirklich vom Turm Ausschau zu halten – z.B. ob ich ein Feuer in der Ferne sehen kann. Das würde ich dann nämlich direkt bei der Feuerwehr melden. Aber ich bin auch unterwegs, z.B. in Schulen, dort erzähle ich den Kindern „was eine Türmerin so tut“. Und natürlich habe ich immer mal wieder auch Pressetermine – so wie wir jetzt. Außerdem möchte ich selber, nach und nach, auch andere Türmer in Deutschland und auch weltweit kennenlernen und mich mit ihnen austauschen.
Oft stehen auch, wenn ich gegen Mitternacht Feierabend habe, Studenten abends am Turm. Sie wollen dann doch noch mal ein Wort mit der Türmerin wechseln. Der Türmer gehört nun einmal seit über 600 Jahren zum Stadtbild. Das erste Mal wurde der Türmer 1383, in den Unterlagen, erwähnt.
Die Glocke im Turm der Lambertikirche
Was machts du in deiner Freizeit – also wenn du nicht auf dem Turm oder für den Turm arbeitest?
Ich liebe Musik und zwar alles zum Thema Musik. Selber Instrumente spiele oder auch Musikstücke schreiben. Ich lese gern. Das kann ich auch alles immer super auf dem Turm praktizieren. Zusätzlich koche und esse ich gern. Das wird hier oben natürlich schon etwas schwieriger. Ich mag Ausdauersport und ich führe gern gute Gespräche. Bevor ich Türmerin wurde, bin ich auch viel gereist.
Es war mir eine große Freude und Ehre, dass ich die Martje treffen und begleiten durfte. Auch meine liebe Blogger-Kollegin Monika von Entdeckergreise durfte bereits mit Martje auf den Turm. Ihr wollt mehr zur Türmerin wissen? Dann lest doch auch mal in Monikas Türmermin-Bericht rein.
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