Vipassana Meditation: Schweige-Auszeit am Ende der Welt
Tanja Klindworth
Was ist ein Vipassana? Wie funktioniert eine Vipassana Meditation? Wie kommt man auf die Idee ein Vipassana zu machen?
Was ist ein Vipassana? Wie funktioniert eine Vipassana Meditation? Wie kommt man auf die Idee ein Vipassana zu machen?
Woran denkt ihr, wenn ihr Vipassana hört? Kennt ihr den Begriff? Vipassana bezeichnet eine meditative Schweige-Auszeit. Zugegeben, auch Klöster und Meditionshäuser hierzulande bieten solche Schweige-Auszeiten oder auch „fancy“ ein „Vipassana Meditation Retreat“ an.
Doch wie läuft so eine Vipassana Erfahrung am anderen Ende der Welt ab?
…und wacht man einfach morgens auf und denkt sich, ich mache jetzt ein Vipassana?
Wir haben Reisebloggerin Michaela genau dazu befragt. Denn sie hat so eine Schweige-Meditation in Kathmandu in Nepal tatsächlich schon erlebt.
Bevor wir jetzt in unseren zahlreichen neugierigen Fragen abtauchen, kurz vorab eine kleine Erklärung, was genau überhaupt ein Vipassana ist?
Hinter Vipassana verbirgt sich eine der ältesten Meditationsformen. Ihren Ursprung hat Vipassana-Meditation in Indien. Sie wurde dort vor über 2.500 Jahren, als ein Heilmittel und Lebenskunst, gelehrt.
Gründer der Vipassana International Academy in Igatpuri, Indien ist S.N. Goenka.
Vipassana bedeutet, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Hört sich tatsächlich leichter an, als es zu sein scheint.
Denn…
…wer sagt uns eigentlich, wie was wirklich ist?!
Da ich mich in letzter Zeit etwas mehr mit Spiritualität und auch Meditation beschäftigt habe, bin ich irgendwann auf den Begriff „Vipassana“ gestoßen.
Ich habe danach auch ein, zwei Erfahrungsberichte überflogen, die ich im Internet fand. Aber eben wirklich nur überflogen.
Ich wusste eigentlich nur, dass man zehn Tag in einem buddhistischen Kloster oder einem Meditationszentrum untergebracht ist, nicht sprechen darf und es nicht erlaubt ist ein Handy oder sonstige technische Geräte mitzunehmen.
Das klang erstmals recht spannend. Als mir eine Bekannte erzählte, dass sie eine solche Vipassana-Meditation in Kathmandu – der Hauptstadt Nepals – gemacht hatte, war für mich klar, dass ich das auch machen möchte.
Wer mich kennt weiß, wie sehr ich es liebe Neues auszuprobieren und mich neuen Herausforderungen zu stellen. Da mir sechs Monate Auszeit zum Reisen bevorstanden und Nepal sowie Indien auf meinem Plan standen, passte das perfekt hinein.
Ich bin also nicht extra dafür nach Nepal gereist. Es war aber der Einstieg in meine Reise. Ich bin von dort weitergereist. Von Nepal ging es nach Indien.
Meine größte Erwartung war es wohl, vom Alltagsstress herunterzukommen und mehr in mich zu kehren. Ich wollte Abstand nehmen von Social Media und generell vom Medienwahn, dem wir tagtäglich ausgesetzt sind.
Diese beiden Erwartungen hatten sich auch voll und ganz erfüllt und es tat wahnsinnig gut.
Bereits am ersten Tag mußten wir alle elektronischen Geräte, aber auch Bücher, Schreibutensilien usw. abgeben. So kamen wir nicht in die Versuchung, vielleicht doch einmal aufs Handy zu schauen.
Wir konnten also mit der Außenwelt nicht in Kontakt treten.
Klar kann man jetzt behaupten, dass man so etwas auch einfach mal im Alltag machen könnte, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es die Mehrheit nicht so durchziehen würde.
Bereits nach wenigen Tagen im Vipassana-Meditationszentrum merkte ich, wie ich schön langsam immer mehr zur Ruhe kam. Vor allem der Geist und die Seele können sich richtig entspannen.
Dass man mit den anderen Teilnehmern nicht sprechen darf – es ist nicht einmal Blickkontakt erlaubt – macht das Ganze noch stressfreier.
Man muss nicht versuchen sich beim Mittagessen in irgendwelche Gespräche zu integrieren oder dergleichen, sondern man konzentriert sich völlig auf sich selbst.
Die einzige Erwartung, die nicht erfüllt wurde war, dass ich dachte die Zeit dort wäre eine Art Wellness- bzw. Erholungsurlaub. In dieser Hinsicht wurde ich bitter enttäuscht.
Tagwache und somit Start in den Tag ist um vier Uhr morgens. Zudem sind über zehn Stunden Meditation am Tag – im Schneidersitz sitzend sei angemerkt – kein Kinderspiel.
Die Freiwilligenarbeiter und die Lehrer beobachten genau, ob sich wirklich jeder an all die Regeln und den Tagesablauf hält.
Im Endeffekt muss ich sagen, dass mir das Vipassana Retreat sehr viel gebracht hat. Auch wenn ich dies während der Zeit dort nicht immer so gesehen habe.
Ich habe sehr viel über mich selbst gelernt. Vor allem wie kraftvoll die eigenen Gedanken sind. Und wie oft wir in der Zukunft oder in der Vergangenheit leben und dabei völlig das Hier und Jetzt vergessen.
Die Vergangenheit ist vorbei, für immer. Niemand kann sie zurückholen und nichts kann rückgängig gemacht werden. Wir müssen sie also als solche akzeptieren.
Die Zukunft ist noch nicht da!
Das Vipassana hat mir geholfen meinen Geist frei zu machen und bewusster zu leben. Es war also eine Art „Detox-Behandlung“ für den Geist.
Sobald man sich wieder im normalen Alltag befindet, ist es natürlich schwierig das alles so umzusetzen. Aber eines mache ich seitdem regelmäßig und ganz bewusst: Ich nehme mir Zeit für Stille und Ruhe. Allein das bewirkt schon sehr viel Positives in meinem Leben.
Es gab für mich viele verschiedene Herausforderungen während des Vipassana.
Die Größte davon war es wohl über zehn Stunden am Tag ruhig dazusitzen – im Schneidersitz und mit geschlossenen Augen. Dabei sollte man nicht irgendwelchen Gedanken nachhängen.
In den ersten Tagen spielten meine Gedanken jedoch regelrecht verrückt in meinem Kopf. Angefangen von irgendwelchen To-Do Listen, die mir plötzlich keine Ruhe mehr ließen, über Ereignisse aus der Vergangenheit, die ich eigentlich längst vergessen hatte, bis hin zu Zukunftsplänen, war alles mit dabei.
Nach einigen Tagen wurde es in meinem Kopf schon langsam ruhiger. Ich schaffte es am Ende tatsächlich zwei Stunden durchgehend zu meditieren ohne mich zu bewegen. Darauf war ich ziemlich stolz.
Ich muss anmerken, dass ich vor dem Vipassana noch nie wirklich meditiert habe.
Was dazu kommt sind natürlich sämtliche Schmerzen, die durch das lange Sitzen verursacht werden. Mir machten vor allem meine Schulterblätter ziemliche Probleme.
Man lernt tatsächlich auf diese Schmerzen nicht weiter einzugehen und sie sozusagen auszublenden.
Was mir zusätzlich schwer gefallen ist, waren die spärlichen Mahlzeiten. Um 6:30 Uhr gab es Frühstück, dann um elf Uhr vormittags das Mittagessen. Das war es dann auch.
Um 17 Uhr bekamen wir lediglich noch ein Stück Obst und Tee. Diejenigen, die schon das zweite Mal oder öfter einen solchen Kurs besuchten, bekamen nur noch Tee am Abend.
Das Essen war super gesund und lecker. Da wir nicht sonderlich viel Energie verbrauchten war es im Prinzip auch ausreichend. Ich bin aber ein sehr sportlicher Mensch und es deshalb auch gewohnt regelmäßig ordentliche Portionen zu verdrücken.
In der Meditationshalle knurrte mein Magen manchmal ziemlich laut.
Auch der Schlaf kam etwas kurz. Dadurch, dass wir täglich um vier Uhr morgens aufstehen mussten und nicht vor halb zehn am Abend ins Bett kamen, waren es bloß 6 – 6,5 Stunden Schlaf pro Nacht. Gewohnt bin ich jedoch mindestens acht Stunden. Daran gewöhnte ich mich aber recht schnell
Ansonsten war die ganze Anlage recht einfach gehalten. Wir schliefen zu siebt in einem unbeheizten Raum auf ganz dünnen Matten. Nachts hatte es schon mal Temperaturen um den Gefrierpunkt. Aber diese einfachen Bedingungen machten mir persönlich weniger Probleme, einige andere hatten aber, gefühlt meiner Beobachtung, ziemlich Mühe damit.
Als die zehn Tage – eigentlich sind es sogar zwölf, da am Tag null gestartet wird und es am Tag elf aufhört – vorüber waren, war ich mir erstmals nicht sicher, ob ich so etwas noch einmal machen würde?
Die letzten Tage gehörten nämlich eindeutig zu den längsten und härtesten meines ganzen Lebens.
Mittlerweile bin ich mir aber ganz sicher, dass es nicht das letzte Mal war. Im Nachhinein merkte ich immer mehr, wie viel ich von dieser intensiven Zeit profitiert habe.
Ich kann es auch wirklich jedem empfehlen.
Ja, es waren auch ein paar Europäer dort, ich weiß aber nicht wie viele. Insgesamt waren wir etwa 200 Personen. Davon die Hälfte Frauen und die Hälfte Männer. Wenn ich mich richtig erinnere waren etwa ein Viertel davon Ausländer.
Im Zentrum herrschte strikte Trennung nach Geschlechtern. Bloß in der Meditationshalle waren wir gemeinsam mit den Männern – die Frauen auf der rechten Seite und die Männer auf der linken.
Jeden Abend gab es einen einstündigen Fernsehvortrag von S.N. Goenka. Man konnte wählen zwischen Englisch und Hindi. Diejenigen, die keines von beidem verstanden, konnten via Headset tatsächlich jede beliebige Sprache wählen.
Es kann sich jeder anmelden, der sich das körperlich und psychisch zutraut. Höchstalter gibt es keines.
Ich habe sogar gesehen, dass es bereits spezielle Kurse für Kinder gibt, die aber dann keine zehn Tage dauern.
Das Vipassana in Nepal, welches ich besucht habe, ist komplett kostenlos. Am Ende kann man eine freiwillige Spende geben.
Eigentlich verpflichtet man sich am Anfang, nicht abzubrechen. Aber natürlich können sie einen ehrlich gesagt nicht festhalten.
Ich schätze, dass etwa zehn Leute meinen Kurs vorzeitig verlassen haben. Bei einer gesamten Teilnehmerzahl von 200 hält sich das natürlich in Grenzen.
Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum!
Alle Bilder in diesem Artikel wurden mir von Michaela zur Verfügung gestellt. Lest mehr -> Ausführlicher Erlebnisbericht von Michaela zu „10 tägiges Vipassana in Kathmandu„.
Abschließend haben wir jetzt noch ein paar Infos rund ums Vipassana für euch zusammengetragen. Denn um so eine Vipassana Meditation anzutreten müßt ihr nicht gleich in die Ferne reisen. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es die Möglichkeit eine Vipassana Erfahrung zu machen.
Auch in Deutschland werden solche Schweigemeditationen angeboten. Wir haben recherchiert, wo ihr ein Vipassana Meditation Retreat in Deutschland antreten könnt und mit welchen Voraussetzungen das Ganze verbunden ist.
Im sächsischen Triebel gibt es ein Vipassana Zentrum. Das Vipassana Meditationszentrum im Vogtland bietet Kurse, nach den Lehren von S.N. Goenka.
Auch dieser Vipassana-Kurs in Sachsen dauert 10 Tage und es werden keine Gebühren erhoben – auch nicht für die Unterkunft und Verpflegung. Das Vipassana-Meditationszentrum lebt ausschließlich von freiwilligen Spenden.
Für ein Vipassana in Triebel müßt ihr euch vorher bewerben.
Vipassana-Meditationszentrum, Dhamma Dvāra, Alte Straße 6, 08606 Triebel – www.dvara.dhamma.org
Auch in Hamburg gibt es die Möglichkeit, wöchentlich an einer Meditation teilzunehmen. Ausserhalb von Hamburg werden auch mehrtägige Vipassana Meditationen angeboten – z.B. 3 Tage. Auch gemäß der Lehren erfolgt die Teilnahme kostenfrei.
Vipassana Meditation Hamburg arbeitet auch mit Zentren in anderen Städten und Ländern zusammen.
InBalance – YOGA & MORE, Eimsbütteler Chaussee 37a, Hinterhaus, 1.Etage, 20259 Hamburg – www.vipassana-hamburg.de
Das Vipassana Meditationszentrum in Bayern bietet unterschiedliche Kurse. 12 Tage, 15 Tage oder auch sogar über mehrere Wochen.
Auch in Bayern gilt, die Teilnahme an den Kursen erfolgt komplett kostenfrei. Wer mag darf aber natürlich auch hier spenden.
Dhammacari Vipassana-Meditationszentrum e.V., Allgramsdorf 8, Sonnenthal, 84056 Rottenburg a.d. Laaber – www.vipassana-dhammacari.com
Und jetzt zu euch… Würdet ihr euch ein Vipassana zutrauen? Könnt ihr euch wirklich vorstellen, fast zwei Wochen zu schweigen und den Kontakt zur Aussenwelt abzubrechen?
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